Dorfchronik Die Gemeinde Oberstreu will eine Ruine in Filke sanieren, den sogenannten „Mauerschädel“. Eine Nachfrage beim ehemaligen Oberstreuer Bürgermeister Matthias Liebst und ein Nachblättern in einem Aufsatz von Kreisheimatpfleger Reinhold Albert enthüllen, dass nicht nur der Name, sondern auch die Historie des mittelalterlichen Bauwerks bis in die jüngste Vergangenheit Eigenarten aufweist. Etwas abseits von Filke, direkt am Waldrand zur Grenze nach Thüringen, liegt idyllisch die unscheinbare Ruine. Vorhanden sind noch ein Turm und verschiedene Rudimente von Mauern, die sich als Reste von Gebäuden deuten lassen. Seit dem Jahr 1458 gehört das Areal mit dem angrenzendem Wald dem Dorf Mittelstreu und damit der Gemeinde Oberstreu. Daraus erklärt sich, dass der Gemeinderat bei seiner jüngsten Sitzung als Eigentümer der Immobilie eine Sanierung in einem Umfang von knapp 50 000 Euro beschloss hat, die allerdings zu fast 90 Prozent durch Fördergelder gedeckt ist. Turmdach muss erneuert werden Der Betrag soll in erster Linie für die Erneuerung des Turmdachs verwendet werden, erklärt Oberstreus ehemaliger Bürgermeister Matthias Liebst, der an einem seiner letzten Tage im Dienste der Gemeinde das Vorhaben noch auf den Weg gebracht hat. Der Mauerschädel muss saniert werden: Bei der maroden Dachkonstruktion ist es kein Wunder, dass der Regen am Gemäuer nagt. Foto: Eckhard Heise Vor 30 Jahren war ein Behelfsdach am Turm angebracht worden, das aber schon seit geraumer Zeit nicht mehr seine Funktion erfüllt, erzählt Liebst. Wasser drang ins Mauerwerk ein und gefror im Winter, was die Steine stark in Mitleidenschaft gezogen hat. Nun soll eine Gitterkonstruktion mit einer Zeltplane installiert und mit einer Metallhaut verkleidet werden. Das Dach wird so angebracht, dass es von außen kaum zu sehen ist. Außerdem soll das Mauerwerk ausgebessert werden. Grenze verlief einst mitten durch den Turm Das Kuriose an dem Turm ist, dass mitten durch ihn hindurch einst die Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR verlief. Die genaueren Umstände beschreibt Reinhold Albert in einer Dokumentation. Die Gemeinde Mittelstreu erwarb vor über einem halben Jahrtausend den angrenzenden Wald, der einst zum Dorf Bischofs gehörte. Daraus deckte Mittelstreu bis nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Bedarf an Brenn- und Bauholz. Zu dem Wald gehörten auch die Reste des Dorfs, das von den Bewohnern im 14. Jahrhundert aufgegeben worden war. Zu den Gründen für den Exodus gibt es mehrere Legenden. Eine besagt, dass die Hunnen eingefallen seien und die Bewohner niedergemetzelt hätten. Als wahrscheinlich wird jedoch angesehen, dass die Pest, die damals 25 Millionen Tote und damit ein Drittel der Bevölkerung Europas forderte, auch an dem abgeschiedenen Ort gewütet hat. Gelände wurde an die BRD übergeben Mit der Gründung der DDR versiegte abrupt die Holzquelle für die Streutalgemeinde. Regelmäßige Versuche, trotz Demarkationslinie das Holzrecht weiter ausüben zu dürfen, schlugen unter Angabe fadenscheiniger Gründe fehl. Im Jahre 1976 kam es immerhin zu einer kleinen Grenzkorrektur. 500 Quadratmeter, und damit der Bereich des Dorfrestes, der sich auf dem Territorium der DDR befand, wurden an die Bundesrepublik übergeben. Damit war der „Mauerschädel“ – was übersetzt „unbewohnbare Ruine“ bedeutet – vollständig auf westdeutschem Gebiet. Auf die Rückgabe ihres knapp 200 Hektar großen Waldes musste Oberstreu aber noch 15 Jahre bis zum Fall der „Mauer“ warten. Romantisches Fleckchen im Wald Das einst stark verwilderte, jetzt wieder besser gepflegte Areal des einstigen Dorfs wird nur noch einmal im Jahr von der Gemeinde Willmars für einen Mauerschädel-Gottesdienst unter einem eigens angebrachten Kreuz genutzt. Eine stärkere touristische Verwendung ist nur schwer möglich, da der Bereich keinen offiziellen Zugang besitzt und nur über einen nicht einmal ausgeschilderten Wiesenweg zu erreichen ist, bedauert Liebst. Einen Besuch ist das romantische Fleckchen aber auf jeden Fall Wert.

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